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Psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz

Psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz wie Stress, Mobbing oder unfaire Behandlungen kommen häufig vor und führen zu volkswirtschaftlichen Kosten in Milliardenhöhe. Zum Schutz der Arbeitnehmenden bestehen im Obligationenrecht, im Arbeitsgesetz aber auch in verschiedenen Verordnungen Artikel, die den Arbeitgeber verpflichten, Massnahmen zum Schutz der Mitarbeitenden vor psychosozialen Risiken zu treffen. Die Vollzugsorgane der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes (SUVA, Arbeitsinspektoren) kontrollieren daher im Rahmen eines Schwerpunktes die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen zu den Themen Schutz derpersönlichen Integrität und Schutz vor psychischen Fehlbeanspruchungen. Dabei wird zum Schutz vor psychischen Fehlbeanspruchungen unter anderem überprüft, ob psychische Faktoren in der Gefährdungsermittlung erfasst wurden.

Gefährdungsermittlung

Im Rahmen der Umsetzung der EKAS-Richtlinie 6508 sind alle Betriebe verpflichtet, die betrieblichen Gefährdungen zu ermitteln und geeignete Massnahmen zum Schutz der Mitarbeitenden zu treffen. Die Gefährdungen werden in der Regel mit Checklisten ermittelt. Dann werden daraus die notwendigen Massnahmen abgeleitet. Psychische Belastungen sind Teil der Gefährdungssituation. Bei der Analyse kann analog vorgegangen werden. Da es jedoch einfacher ist, die Breite eines Fluchtweges zu messen als die psychische Belastungen zu bestimmen, wird in einem mehrstufigen Verfahren vorgegangen:

  • Ebene 1    orientierendes Vorgehen mittels Checklisten
  • Ebene 2    vertiefendes Vorgehen mittels Befragung oder Gruppenverfahren
  • Ebene 3    umfassendes Vorgehen mit Expertenbeizug

Übersicht zu den Erhebungsmethoden

Erhebungsmethoden müssen so beschaffen sein, dass ihre Ergebnisse zeigen, ob und welche Faktoren der Arbeitsumgebung, des sozialen Umfelds, der Arbeitsaufgaben oder der Arbeitsorganisation für welche Organiationseinheiten oder Tätigkeitsgruppen kritisch sind bzw. Handlungsbedarf haben. Es gibt hierzu folgende gebräuchlichen Erhebungsmethoden:

  • Erhebung der Belastungsmerkmale mittels Checklisten.
  • Befragungen, bei denen alle Mitarbeitenden einen Fragebogen ausfüllen, der alle oben genannten Merkmale (Arbeitsumgebung, soziales Umfeld, Arbeitsaufgaben, Arbeitsorganisation) erfasst und für die einzelnen Organisationseinheiten und Tätigkeitsgruppen auswertbar ist.
  • Alternativ gibt es auch Gruppenverfahren, in deren Rahmen eine repräsentative Gruppe von Mitarbeiter/innen aus einer Abteilung oder einer Tätigkeitsgruppe anhand dieser Merkmale die eigene Arbeitssituation bewertet.

In speziellen Fällen gibt es auch die Möglichkeit, mit Hilfe von aufwendigen Verfahren anhand von Kriterien eine Beobachtungsanalyse für bestimmte Arbeitssituationen durchzuführen, die dabei sehr genau erfasst und detailliert bewertet wird.

Wie kann eine Umsetzung in kleinen Unternehmen gelingen?

 

Organisationseinheiten

Tätigkeits-gruppen

Abt. 1

Abt. 2

Tätigkeit A

O

O

Tätigkeit B

X

X


Bei allen Organisationen mit einer kleineren Anzahl von Mitarbeiter/innen (weniger als 100 Mitarbeiter/innen) ist ein Gruppenverfahren effizient und effektiv.

Auch wenn Mitarbeiter/innen aufgrund von Sprachbarrieren, fehlender Erfahrung mit schriftlichen Unterlagen oder aus organisatorischen Gründen mit anderen Methoden (z.B. Befragungen) nicht erreicht werden können, sind Gruppenverfahren und Beobachtungsanalysen eine passende Alternative.

  • Es werden nicht alle Mitarbeiter/innen befragt, sondern für die einzelnen definierten Organisationseinheiten und Tätigkeitsgruppen nehmen repräsentativ zusammengestellte Mitarbeiter/innen für die jeweiligen Organisationseinheiten oder Tätigkeitsgruppen teil.
  • In jeder Gruppe werden in einem moderierten Prozess von ca. 4 Std. Belastungsfaktoren quantitativ bewertet und priorisiert, qualitativ konkretisiert und Massnahmenideen entwickelt.
  • Ob, wo und welche mehr oder weniger kritischen Ergebnisse es im Gesamtunternehmen gibt, ist – im Gegensatz zur Mitarbeiterbefragung - erst nach Durchführung aller Gruppen komplett ersichtlich.

Ebene 2: Methode „ABS Gruppe (2015)“

Ein solches Verfahren ist ABS Gruppe (2015). Die Methode ist ein vertiefendes Verfahren und wurde ursprünglich in Österreich für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in kleineren Unternehmen konzipiert.

In 4 Stunden pro Gruppe lassen sich auf Basis eines standardisierten Ablaufs mittels 5 Moderationsunterlagen Belastungen der Bereiche Arbeitsmerkmale, Organisationskultur, Arbeitsumgebung und Arbeitszeit, Arbeitsabläufe (22 Items) priorisieren, konkretisieren und Massnahmenideen entwickeln. Das Verfahren wird in der Seco-Broschüre „Psychische Belastungen – Checklisten für den Einstieg“ aufgezeigt.

Klarer Mehrwert neben der gesetzlichen Verpflichtung

In allen Fällen, in denen psychische Faktoren in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen und ihre Methoden mit Qualitätsanspruch und nicht halbherzig angewendet werden, zeigen sich positive Effekte auf vielen Ebenen:

Nahezu alle Faktoren, die zu Beeinträchtigungen der Mitarbeiter/innen führen, sind auch Sand im Getriebe des Unternehmens. Beispiele dafür sind Doppelarbeiten durch unklare Aufgaben und Zuständigkeiten, Zeitverluste und Stehzeiten durch mangelnde Planung und Steuerung, Sucharbeit bei fehlender Systematik, etc. So hat z.B. ein kleiner Dachdeckerbetrieb nach Durchführung einer ABS Gruppe festgestellt, dass häufige Missverständnisse und Spannungen zwischen den Kunden und den Dachdeckern nur daher rührten, weil mit ihnen vor Baubeginn Fragen wie die Nutzung von Abstellflächen, Strom, WC etc. nicht geklärt wurden. Eine kleine Checkliste bei der Auftragsklärung des Chefs beseitigt dieses Problem nun von Beginn an. Die Bautrupps nehmen diese Checkliste mit zum Kunden und gehen sie dort nochmals durch.

Analysen aus vielen durchgeführten Projekten in Unternehmen zeigen, dass nur 5 % der festgestellten Belastungsfaktoren bzw. Massnahmen mit Investitionskosten verbunden sind. 95 % sind Massnahmen zur Verbesserung der Kommunikation, Organisation, der Prozesse und Abläufe.

Die Schlussfolgerung daraus ist: Die Einbeziehung psychischer Faktoren in die Gefährdungsermittlung ist von grossem Nutzen für die Unternehmen und setzt die Forderung des Gesetzgebers um.

Weitere Informationen zum Verfahren

  • Broschüre „Psychische Belastungen – Checklisten für den Einstieg“
    http://www.seco.admin.ch/dokumentation/publikation/00035/00036/01705/index.html?lang=de
  • Martina Molnar, Geschäftsführerin humanware GmbH / Konzeption der Methode: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
  • Margot Vanis, Fachspezialistin SECO: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
  • Harald Gruber, AEH Zentrum für Arbeitsmedizin, Methodenpartner – Schweiz: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

Ausbildungskurse für Moderatoren/Moderatorinnen

Die humanware GmbH bietet in Zusammenarbeit mit AEH am 7. Juni 2016 eine Ausbildung in der Schweiz an.
Anmeldung unter: http://www.aeh.ch/de/kurse