6. Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2015
Die Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen wird seit 1990 alle fünf Jahre von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFOUND) durchgeführt. Bei der Erhebung 2015 wurden mehr als 43‘000 Erwerbstätige aus 35 Ländern befragt. Die Schweizer Stichprobe besteht aus 1006 Erwerbstätigen und ist repräsentativ für die gesamte Erwerbsbevölkerung in der Schweiz.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO veröffentlicht auf seiner Internetseite ausgewählte Ergebnisse zu den Schweizerischen Arbeitsbedingungen der abhängig Erwerbstätigen. Durch Vergleich der Entwicklung der Arbeitssituation 2005 und 2015 können wichtige Trends abgeleitet und präventive Ausrichtungen erfolgen. An dieser Stelle sollen einige markante Ergebnisse aus dieser Veröffentlichung dargestellt werden.
Physische Belastungen bei der Arbeit und Umgebungsbelastungen
2015: 60.2 % der Befragten berichten, dass repetitive Bewegungen mindestens ein Viertel ihrer Arbeitszeit ausmachen. 44.5 % der Befragten arbeiten mehr als ein Viertel ihrer Arbeitszeit in ermüdenden Körperhaltungen. Gut ein Drittel der Befragten sitzt während mehr als drei Viertel der Arbeitszeit. Gut ein Viertel der Befragten gibt an, dass mindestens ein Viertel der Arbeitszeit das Tragen oder Bewegen schwerer Lasten beinhaltet.
Im Vergleich mit 2005 nehmen die schmerzhaften oder ermüdenden Körperhaltungen um 11.2 Prozentpunkte und die stets gleichen Hand- oder Armbewegungen um 20.0 Prozentpunkte zu. Dieser Entwicklung muss insbesondere präventiv entgegnet werden.
Die Schweizer Erwerbstätigen liegen bezüglich Umgebungsbelastungen (incl. chemische Risiken) im EU- Durchschnitt (Geringer: Lärmbelastung, Einatmen Rauch und Dämpfe, Passivrauch). Im Vergleich mit 2005 haben das Einatmen von Tabakrauch anderer Personen um 9.3 Prozentpunkte und das Einatmen von Rauch, Dämpfen, Pulver oder Staub um 6.5 Prozentpunkte abgenommen. Zugenommen haben die Lärmbelastung (2.8 Prozentpunkte), die Vibrationen (2.7 Prozentpunkte) und der Umgang mit chemischen Substanzen (2.6 Prozentpunkte).
Arbeitszeiten, Flexibilität und Zeitdruck
Erwerbstätige in der Schweiz können ihre Arbeitszeit wesentlich vollständiger individuell festlegen als in der EU (CH: 11.7 %, EU-27: 5.6 %). Im Gegensatz dazu kommt es in der Schweiz häufiger zu kurzfristigen Änderungen der Arbeitszeiten (CH: 18.2 %, EU-27: 12.5 %). Die nicht planbaren Änderungen können sich nachteilig auf die Gesundheit auswirken (keine Planung und Gestaltung der arbeitsfreien Zeit, Verkürzung der Erholungszeiten).
Mehr als sechs von zehn Erwerbstätigen in der Schweiz geben an, dass sie mindestens ein Viertel der Zeit mit hohem Arbeitstempo (64.6 %) oder unter Termindruck (62.8 %) arbeiten. Gegenüber 2005 arbeiten weniger Erwerbstätige unter einem hohen Arbeitstempo (2005: 73.0 %) und unter Termindruck (2005: 68.7 %). Die gleiche Entwicklung zeigt sich auch in den Nachbarländern.
Mitwirkung und Selbstbestimmung
Verglichen wurden die Anteile der Erwerbstätigen, welche die Möglichkeit haben
- Das Arbeitstempo selbst zu bestimmen (2005: 73.0 %, 2015: 68.0 %)
- Einfluss auf das Vorgehen bei der Erledigung von Aufgaben zu nehmen (2005: 80.3 %, 2015: 72.1 %)
- Eigene Ideen umzusetzen (2005: 61.9 %, 2015: 48.8 %)
- Pausen frei zu wählen (2005: 54.1 %, 2015: 42.2 %)
Nach Einschätzung des SECO kann sich die Kombination aus fehlender zeitlicher Autonomie und hohem Zeitdruck besonders ungünstig auf die Gesundheit auswirken. Von dieser Kombination sind ca. 11 % der Erwerbstätigen betroffen.
Qualität der Arbeit
Arbeit, die sinnvoll erlebt wird, fördert die Gesundheit. Mit zunehmender Digitalisierung muss diesem Aspekt besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Im Vergleich der Befragungen 2005 und 2015 ergab sich, dass die Anzahl der Erwerbstätigen, welche ihre Arbeit als eintönig einstufen, um 10.5 Prozentpunkte zunimmt. Die Anteile der Erwerbstätigen, welche angeben, eine sinnvolle Arbeit zu verrichten, dass ihre Arbeit komplexe Aufgaben beinhaltet, sie die Qualität der Arbeit selber überprüfen können und dass sie unvorhergesehene Probleme selber lösen können, haben im Vergleich mit 2005 um ca. 6 Prozentpunkte abgenommen.
Weniger Personen (15.8 %) geben an, dass sie bei der Arbeit die Möglichkeit haben, Neues zu erlernen. Es wird eingeschätzt, dass sich die Schweiz dem europäischen Durchschnitt angleicht und ihre Spitzenposition einbüsst.
Führung, Zusammenarbeit und Diskriminierung
Gesundheitsfördernde Merkmale des Führungsverhaltens (Lob und Anerkennung, hilfreiches Feedback) sind in der Schweiz im Vergleich zu Europa besser ausgeprägt.
Frauen geben häufiger als Männer an, bei der Arbeit Persönlichkeitsverletzungen oder Diskriminierung erlebt zu haben. Dazu gehören unerwünschte Aufmerksamkeit, sexuelle Belästigung sowie Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
Die Anzahl der Erwerbstätigen, die angeben gemobbt zu werden, hat sich von 8.0 % im Jahre 2005 auf 4.2 % im Jahre 2015 verringert.
Stressempfinden und Erschöpfung
In der Schweiz geben 24.2 % der Erwerbstätigen an, häufig oder immer Stress bei der Arbeit zu haben (2005 wurde Frage nicht gestellt.). Mehr als ein Drittel der Befragten geben an meistens (22.2 %) oder immer (13.0 %) am Ende des Tages erschöpft zu sein. Auch am nächsten Tag fühlen sich 25.5 % dieser Personen noch erschöpft und müde. Nach Einschätzung des SECO ist die Gesundheit dieser Personen gefährdet.
Gesundheit
Der Anteil der Erwerbstätigen, die ihre Gesundheit als gut oder sehr gut einstufen, liegt in der Schweiz ca. 10 Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt.
2015 wurden in der Schweiz folgende (sehr häufig mit der Arbeit verbundene) Beschwerden am häufigsten angegeben:
- Rückenschmerzen: 35.5 %
- Kopf- und Augenschmerzen: 33.7 %
- Muskelschmerzen (Schultern, Nacken, Arme, Hände usw.): 31.8 %
Zufriedenheit und Wohlbefinden
88 % der befragten Erwerbstätigen sind in der Schweiz zufrieden oder sehr zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen. Dies entspricht dem europäischen Durchschnitt.
In der SECO Veröffentlichung werden folgende zwei Aussagen hervorgehoben, in welchen deutlich wird, dass die Schweiz hinsichtlich der Arbeitssituation (wichtige Elemente günstiger Arbeitsbedingungen) einen Spitzenplatz einnimmt:
- „In Anbetracht all meiner Bemühungen und Leistungen bei meiner Arbeit finde ich, dass ich angemessen bezahlt werde“ (CH: 65.9 %, EU-27: 50.6 %)
- „Ich erhalte Anerkennung, die ich für meine Arbeit verdient habe“ (CH: 75.5 %, EU- 27: 64.3 %).
Quelle:
Ralph Krieger, Maggie Graf, Margot Vanis
Staatssekretariat für Wirtschaft SECO
Sechste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2015
Ausgewählte Ergebnisse zu den Schweizerischen Arbeitsbedingungen der abhängig Erwerbstätigen