5 Jahre Ergonomie Coaching - ein Erfahrungsbericht mit 52 Fällen
Das Ergonomie Coaching (ErCoa) am Arbeitsplatz
Ergonomie Coaching am Arbeitsplatz ist eine intensive Begleitung bei der Reintegration am Arbeitsplatz von KlientInnen mit im Vordergrund stehenden muskuloskelettalen Beschwerden, mit Schwerpunkt auf Arbeit, Ergonomie und Umgang mit Beschwerden. Ein Arbeitsplatz besteht oder ist vorgesehen. In der Regel besteht eine Fallführung durch Eingliederungsberater der IV, Case Manager oder Gesundheitsmanager in Betrieben. Wir unterscheiden zwischen einem kurzen ErCoa, als Zusatz zu einer Arbeitsplatzabklärung oder einem bestehenden Case Management, und einem umfassenden ErCoa, das bei komplexeren Ausgangslagen mit erhöhtem Betreuungsaufwand eingesetzt wird.
Ziel der Auswertung
Wir haben die letzten 52 Fälle, die wir in fünf Jahren im Rahmen eines ErCoa am Arbeitsplatz begleitet haben, genauer angeschaut. Dabei stand für uns im Vordergrund, einen Überblick über erfolgreiche und weniger erfolgreiche Begleitungen und deren Gründe zu erhalten. Ausgewertet wurde, ob die 52 KlientInnen bei Abschluss des ErCoa voll, teilweise oder gar nicht eingegliedert waren, und welche Faktoren zu einem positiven oder negativen Ergebnis beigetragen haben.
Ergebnisse
Unter den 52 ausgewerteten Fällen waren 37 lange ErCoa und 15 kurze ErCoa zu finden. Schaut man die Gesamtzahl der Fälle an, so waren bei Abschluss des ErCoa 26 der 52 Perso-nen voll (50%) und 16 Personen teilweise integriert (31%), was eine Erfolgsquote von insgesamt 81% ergibt. Bei 10 Personen schlug die Reintegration fehl (19%).
Betrachtet man die Erfolgsquote der kurzen ErCoa separat so liegt diese deutlich höher (87%). Nur zwei Klienten sind auf Grund einer Kündigung aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden. Bei dieser Begleitform sind die KlientInnen jedoch in aller Regel zu Beginn bereits eingegliedert und es geht um den Erhalt des Ergebnisses durch Reduktion von Belastungen am Arbeitsplatz und gesundheitsförderndes Verhalten.
Bei den KlientInnen, die im Rahmen eines umfassenden ErCoa begleitet wurden, war mit weni-gen Ausnahmen bei allen das übergeordnete Ziel, eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit zu un-terstützen. Es ergab sich hier folgendes Bild: 13 der 37 KlientInnen (35%) waren voll und 15 KlientInnen (41%) teilweise integriert, bei 9 KlientInnen verliefen die Reintegrationsbemühungen erfolglos. So waren mehr als ein Drittel der Fälle voll und 41% teilweise eingegliedert.
Wie konnte ein ErCoa positiv zu einer erfolgreichen Integration beitragen
- Durch Anpassungen der Arbeitsumgebung, Einsatz von Hilfsmitteln sowie Instruktion ergonomisch günstigen Verhaltens konnten Arbeitsbelastungen reduziert werden.
- Viele KlientInnen mit chronischen Schmerzproblemen waren stark verunsichert und aus Angst vor einer Verschlechterung ihres Gesundheitsproblems im Zweifel darüber, ob sie sich einen Wiedereinstieg am Arbeitsplatz zumuten konnten. Der Beizug einer Fachperson, die eng begleitete und die wahrgenommenen Probleme sowie Ängste ernst nahm und zusammen mit den KlientInnen angegangen ist, konnte in vielen Fällen Sicherheit bringen.
- Die Erarbeitung von eigenen Strategien, in das Schmerzgeschehen einzugreifen und es zu reduzieren, sowie die eigenen Grenzen zu beachten und damit eine Überlastung zu vermeiden, führte zu einem grösseren Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit.
- Bei sehr stark auf ihre Beschwerden fixierten KlientInnen mit einem passiven Bewältigungsstil ist es mindestens teilweise gelungen, mit ihnen Ziele auch ausserhalb von Schmerzfreiheit und Heilung zu erarbeiten, sie Schritt für Schritt wieder an Belastungen heranzuführen und damit Erfolgserlebnisse und Selbstvertrauen für die Integration zu gewinnen.
- Mehr Sicherheit für Arbeitgeber und Gesundheitsmanager über Belastbarkeit und Einsetzbarkeit der KlientInnen.
- Bei Differenzen mit dem Arbeitgeber, die aus einem Unverständnis gegenüber der Gesundheitsproblematik und deren Auswirkung auf die Einsetzbarkeit am Arbeitsplatz herrührten, konnte durch eine Objektivierung der Einschränkungen durch den ErCoa die Akzeptanz des Arbeitgebers für Anpassungen erhöht werden.
Folgende Faktoren haben eine Eingliederung behindert oder verunmöglicht
Zwei KlientInnen haben nach teilweise erfolgter Eingliederung ihre Ziele geändert und sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt, zwei Personen haben im Verlauf der Reintegration die Kündigung erhalten.
Bei einigen Personen wurde im Verlauf des Prozesses deutlich, dass die Ziele zu Beginn der Reintegration zu hoch gesteckt waren und korrigiert werden mussten.
Vier KlientInnen mit starker Symptomausweitung konnten gar nicht oder mit geringer Teilarbeitsfähigkeit eingegliedert werden, trotz gut angepasstem Arbeitsplatz. Die Ziele dieser Klienten waren zum grossen Teil oder ausschliesslich auf den gesundheitlichen Bereich und auf das Erreichen von Schmerzfreiheit fixiert und liessen sich darin nicht beeinflussen.
Bei drei KlientInnen traten neue bzw. zunächst nicht diagnostizierte medizinische Probleme auf, die eine Rückkehr an den angestammten Arbeitsplatz verunmöglichten.
Aufwand
Der Zeitaufwand betrug im Schnitt bei kurzen ErCoa zwischen drei und fünf Monaten, bei den umfassenden Coachings zwischen vier Monaten und einem Jahr, häufig ist hier eine Dauer zwischen fünf und sechs Monaten. Daraus ergeben sich durchschnittliche Kosten von CHF 2‘500.- für ein kurzes ErCoa und von CHF 6‘500.- für ein aufwendiges ErCoa in komplexen Situationen.
Fazit
Ein kurzes ErCoa kann mit relativ kleinem Aufwand eingesetzt werden, wobei der Nutzen in Bezug auf eine Abklärung und ggf. Anpassung der Arbeitsumgebung und eine Reduktion der Belastungen hoch ist. Im Rahmen eines kurzen ErCoa kann ebenfalls ein möglichst ergonomisch günstiges und gesundheitsförderndes Verhalten der KlientInnen mit einbezogen werden.
Für die Begleitung von komplexen Fällen im Rahmen des langen ErCoa ist der Aufwand häufig hoch. Eine vollständige Zielerreichung ist wie immer in der Reintegration auch begrenzt durch Faktoren, die nicht oder nur teilweise von aussen beeinflusst werden können. Wir haben aber gesehen, dass das ErCoa in vielen Fällen zu einem guten Integrationsergebnis beitragen konnte. Daneben hat ein Einsatz weitere Vorteile, die nicht direkt messbar sind.
Da das ErCoa unmittelbar am Arbeitsplatz und Arbeitsprozess stattfindet, trägt es dazu bei, den Integrationsprozess transparenter zu gestalten und Probleme in Bezug auf die Arbeitstätigkeit genauer zu benennen. Ausserdem können ungünstige Belastungen am Arbeitsplatz gesehen und ggf. reduziert werden. Es kann die Sicherheit gefördert werden, dass eine bestimmte Arbeitstätigkeit trotz gesundheitlicher Probleme sicher ausgeführt werden kann.
Das umfassende ErCoa wird aufgrund des Aufwands vor allem dann eingesetzt, wenn Rehahindernisse, wie Unsicherheiten in Bezug auf die Reintegration und die gesundheitlichen Möglichkeiten bestehen, sowie bei ambivalenten und ängstlichen Klienten.
Weitere Informationen finden Sie in unseren FAQ's.