Herausforderungen an den Arzt bei der Arbeitsfähigkeitsbeurteilung
Krankheitsbedingte Arbeitsausfälle, Arbeitsplatzkonflikte, Arbeitsplatzverlust und Invalidisierung bedeuten eine hohe Belastung für das Individuum und führen zu Kosten für Betriebe, Versicherer und die Volkswirtschaft. In der Regel kommt dem behandelnden Arzt die Aufgabe zu, den Zusammenhang zwischen einer Arbeitsabsenz (oder allenfalls einer reduzierten Leistung) und einer Gesundheitsstörung (Krankheit oder Unfall) zu bestätigen, oder eben ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis auszustellen. Dieses ist in erster Linie ein Dokument, welches das Verhältnis zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber klärt, gleichzeitig dient es dem Arbeitgeber als Beleg zur Rückforderung von Versicherungsleistungen (Krankentaggeld und Unfallversicherer). Der Arzt muss sich dabei grundsätzlich entscheiden, ob der Patient nun arbeitsunfähig ist oder nicht.
Während dem eine solche Einschätzung bei kurzdauernden und bei akuten gesundheitlichen Problemen in aller Regel wenig Probleme bietet, ist die Beurteilung bei wiederholten oder langdauernden Ausfällen, parallel auftretenden Gesundheitsstörungen oder dominierenden Arbeitsplatzkonflikten oft schwierig. Hinzu kommt, dass sich die Prognose für eine Rückkehr an den Arbeitsplatz mit zunehmender Absenzdauer, insbesondere bei voller Arbeitsunfähigkeit resp. fehlender Präsenz, rasch verschlechtert.
Selten können Mitarbeiterausfälle in Betrieben längerfristig kompensiert werden, ohne dass Stellenneubesetzungen notwendig werden. Zudem sinkt die Unterstützungsbereitschaft auf Führungsebene und bei den Arbeitskollegen bei fehlender Präsenz rasch und der Kündigungsschutz bei Krankheit oder Unfall wirkt in der Schweiz nur kurz (Wartefrist 3 Monate nach OR).
Das Fenster für eine positive Handlung ist demnach sehr schmal. Nach welchen Rastern soll sich der behandelnde Arzt orientieren? Wie wichtig ist eine Diagnose? Welche Hilfsmittel stehen zur Verfügung? Wie geht er mit Arbeitsplatzkonflikten um? Wie unterstützt er die berufliche Eingliederung? Der beiliegende Artikel, im Dezember 2019 publiziert in «leading opinions», gibt Antworten und Unterstützung.