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Chemikaliensicherheit geht uns alle an

Das Thema Chemikaliensicherheit geht uns alle an, sei es als Inverkehrbringer, Einkäufer oder Nutzer chemischer Produkte. Rechtlich hat sich dabei in den letzten Jahren einiges geändert. Wahrscheinlich haben die meisten eine Veränderung in Form von neuen Kennzeichnungen auf den Produkten bemerkt. Doch was heissen REACH, CLP oder auch GHS? Welches sind die gesetzlichen Grundlagen, und wer kontrolliert was? Mit dem folgenden Artikel möchten wir die Situation etwas beleuchten und Praxisaspekte an einem Beispiel veranschaulichen. 

Chemikalien im Wasser, in der Luft, als Arbeitsmittel oder auch in Gebrauchsgegenständen müssen sicher sein. Für Chemikalien als Stoffe oder Zubereitungen (also als chemische Produkte) gelten dabei besondere Vorschriften. In Europa wurde dazu in den letzen Jahren das Konzept REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) eingeführt. Dieses dient dazu, gefährliche Stoffe als solche zu erkennen und deren Verbreitung und Einsatz zu reduzieren oder zu verbieten. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Stoffe auch international gehandelt und verschoben werden können und Personen, welche ggf. Kontakt mit den Stoffen haben, über deren Gefahren Bescheid wissen. Dazu wurde parallel das internationale UNO-Übereinkommen „CLP-Verordnung“ – auch GHS (Globally Harmonized System for Classification, Labeling and Packaging of Chemicals) genannt – eingeführt.

 

REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals)

  • Registrierung bei der European Chemicals Agency (ECHA), basierend auf Herstellerangaben:
    • Einstufung und Kennzeichnung des Stoffes nach CLP/GHS;
    • Leitlinien für die sichere Verwendung des Stoffes;
    • Angaben über Gefährdung (Derived no-effect level DNEL: Wert, bei dessen Einhaltung nach dem Kenntnisstand der Wissenschaft keine Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit zu befürchten ist);
    • Informationen über die Exposition (Verwendungen, Expositionswege, Expositionshäufigkeit);

 

  • Die ECHA kann auf Grund der Risikosituation Restriktionen verfügen:
    • Beschränkungsverfahren (Anhang XVII): Die aufgelisteten Chemikalien dürfen nur fabriziert, importiert, in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn dabei die im Anhang angegebenen Beschränkungsbedingungen erfüllt werden.
    • Aufnahme in die Kandidatenliste (Anhang XIV): Besorgniserregende Stoffe (SVHC-Stoffe) werden auf der Kandidatenliste geführt. Das Inverkehrbringen dieser Stoffe ist grundsätzlich verboten, wobei gewisse Ausnahmen bestehen (z.B. CRM Stoffe in Arzneimitteln).

In der Schweiz wurde das europäische System weitgehend übernommen. Daraus wurden unter Beteiligung verschiedener Departemente und Amtsstellen (BAG, BAFU und SECO) die folgenden Gesetze und Verordnungen erstellt:

tabelle_ghs.jpg

Bis zum 1. Juni 2015 sollen die Regelungen zur Chemikaliensicherheit in der Schweiz übernommen und die Totalrevision der Chemikalienverordnung eingeführt werden, wobei gewisse Übergangsregeln für den Abverkauf von Produkten mit alter Kennzeichnung gelten. Wie das dann konkret bei einem Betrieb aussieht, soll folgendes Beispiel erläutern.

Beispiel: Unternehmung GOLDX

Die Geschäftsleitung der Unternehmung GOLDX hat aus Kostengründen beschlossen, die zu entgoldenden Edelstahlbleche von nun an nicht mehr extern, sondern im eigenen Haus zu behandeln. Dafür wurde eine auf Elektrochemie basierende Entgoldungsanlage installiert.
Der Hersteller der Anlage hat zur Entgoldung eine bewährte, cyanidische Lösung von einem Schweizer Hersteller empfohlen. Die Geschäftsleitung hat deshalb den Einkauf beauftragt, 150 Liter von diesem Produkt einzukaufen.
Soweit so gut, aber was ist jetzt alles zu beachten?
Der Einkäufer sieht, dass es sich um eine Chemikalie handelt und, lässt sich zunächst das Sicherheitsdatenblatt dieses Produktes schicken. Darauf sieht er folgende GHS Symbole:

hazard.jpg

Darf der Einkäufer 150 Liter bestellen? Dazu ist in der ChemV nachzulesen:

Betriebe, welche in der Schweiz Chemikalien beziehen, müssen:

  • Eine Chemikalien-Ansprechperson bestimmen und der zuständigen kantonalen Fachstelle melden, sofern gefährliche Stoffe oder Zubereitungen zugekauft werden. Es ist kein Fähigkeitsnachweis erforderlich (keine Prüfung) [ChemV Art. 74 (59*)]
  • Personen, die mit gefährlichen Produkten umgehen, müssen die dazu notwendigen Kenntnisse haben (Sorgfaltspflicht) [ChemV Art. 7(5)]
  • Aufgaben der Chemikalien-Ansprechperson: Die Chemikalien-Ansprechperson dient den Vollzugsbehörden als Kontaktperson in einem Betrieb. Sie soll sicherstellen, dass alle nach dem Chemikalienrecht notwendigen Auskünfte an die Behörden gelangen. Die Ansprechperson muss Kenntnisse über den Umgang mit Stoffen und Zubereitungen (Gemischen) im Betrieb oder in der Bildungsstätte besitzen. Insbesondere muss sie die dem Betrieb daraus erwachsenden Pflichten kennen. Ausserdem soll sie Auskunft erteilen können, welche Personen im Betrieb für diese Pflichten zuständig sind und wer Inhaber von allenfalls notwendigen Fachbewilligungen oder Sachkenntnisausweisen ist.
  • Sorgfaltspflicht: Für alle Anwender von Chemikalien gilt die Sorgfaltspflicht. Die gefährlichen Eigenschaften von Chemikalien müssen beachtet und die zum Schutz des Menschen und der Umwelt erforderlichen Massnahmen getroffen werden. Grundlage zur Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht sind die Angaben der Herstellerin auf der Verpackung (Etikette, Gebrauchsanweisung) und im Sicherheitsdatenblatt bzw. die diesbezüglichen Anweisungen der Abgeberin beim Bezug einer Chemikalie.

 

Fazit: Erst, wenn der Betrieb dem kantonalen Vollzugsorgan (z.B. Kantonales Labor Zürich) eine Chemikalien-Ansprechperson gemeldet hat und jemand über die notwendigen Kenntnisse verfügt, darf das Produkt bestellt werden.

 

Besteht für die Firma GOLDX Anmeldepflicht? Nein, wenn die Chemikalie in der Schweiz bezogen wird, also bei einem Schweizer Hersteller oder einem Schweizer Importeur gekauft wird, gilt gemäss ChemV Art. 69 (54) eine Ausnahme von der Meldepflicht. Anders wäre es, wenn ein Stoff oder ein Gemisch selbst importiert oder hergestellt würde. In diesem Fall hat ein Meldeverfahren bei der Anmeldestelle Chemikalien - einer gemeinsamen Stelle des BAG, des BAFU und des SECO - zu erfolgen.

Da es sich bei dem erwähnten Produkt um eine Chemikalie der Gruppe 1 [ChemV Anhang 6 (5)] handelt, muss die Abgeberin ab dem 1.6.2015 über Sachkenntnisse verfügen und dem Abnehmer (zwingend eine Berufsperson) unaufgefordert das Sicherheitsdatenblatt (SDB) abgeben. Zudem ist der Kunde ausdrücklich auf die geforderten Schutzmassnahmen und die vorschriftsgemässe Entsorgung hinzuweisen. Zudem ist der Kunde bei Bedarf über folgende Aspekten zu informieren:

  1. Vorgesehene Verwendungszwecke
  2. Besondere Gefahren
  3. Fachgerechte Handhabung und Schutzmassnahmen
  4. Lagerung – kindersichere Aufbewahrung
  5. Korrekte Entsorgung
  6. Erste-Hilfe-Massnahmen und Notrufnummer 145


Was sind Sachkenntnisse und weshalb braucht es diese? Als Sachkenntnis wird das Wissen über die Kennzeichnung, den Inhalt von Sicherheitsdatenblättern, über allgemeine Eigenschaften von Chemikalien und Informationsquellen sowie über die rechtlichen Grundlagen bezeichnet. Zusätzlich zum theoretischen Grundwissen sind Kenntnisse über die Chemikalien des eigenen Sortiments wichtig. Verkäufer/Abgeber müssen gemäss Anhang 1 der Sachkenntnisverordnung ihr Grundwissen nachweisen können (Bestehen einer Prüfung). Kurse werden von anerkannten Prüfungsstellen angeboten (siehe Liste der Prüfungsstellen und Kursangebote unter www.bag.admin.ch).

 

Besteht eine Bewilligungspflicht als wassergefährdende Flüssigkeit?Lager mit wassergefährdenden Flüssigkeiten unterstehen der Melde- oder Bewilligungspflicht. Ausgenommen sind jedoch Lager unter 450 Liter oder solche, die nur aus Behältern mit einem Volumen unter 20 Liter bestehen. Somit bleibt GOLDX mit einem Bestand von 150 Litern unter der Melde- und Bewilligungsgrenze.

 

Wie wird die Umgebung geschützt? Kommt die Störfallverordnung StFV, welche die Bevölkerung und die Umwelt vor schweren Schädigungen infolge von Störfällen schützen soll, zur Anwendung? Die StFV gilt unter anderem für Betriebe, in denen die Mengenschwellen für Stoffe, Zubereitungen oder Sonderabfälle nach Anhang überschritten werden. Ein Blick in den Anhang 1.1 zeigt, dass die Mengenschwelle für Cyanide gemäss StFV bei 200 kg liegt. Somit entfallen die Pflichten der Störfallverordnung und die entsprechenden Meldungen an die Vollzugsbehörden.

 

Welche Regeln sind bei der Lagerung des Stoffes zu beachten? Auf dem Sicherheitsdatenblatt (SDB) steht “Nicht zusammen mit Säuren lagern“. Was heisst das? Cyanide und Säuren reagieren zu Cyanwasserstoff-Gas (Blausäure). Blausäure ist extrem giftig. Schon 1–2 mg Blausäure pro kg Körpermasse wirken tödlich. Daher besteht ein Zusammenlagerungsverbot.

Grundsätzlich sind die folgenden Punkte bei der Lagerung zu beachten:

  • Zusammenlagerungsverbote
  • Räumliche und technische Anforderungen (Gewässerschutz, Belüftung, Zutritt)
  • Notwendige Ausrüstung für Havariefall (PSA, Bindemittel)
  • Produktbezogene Erste Hilfe
  • Nachweisliche Schulung der Mitarbeitenden an Produkt und PSA

 

Ein gutes Hilfsmittel ist der Leitfaden „Lagerung gefährlicher Stoffe“, herausgegeben von den Umweltfachstellen der Kantone der Nordwestschweiz (Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Solothurn), der Kantone Thurgau und Zürich sowie der Gebäudeversicherung Kanton Zürich. Als toxischer Stoff entspricht das Produkt der Lagerklasse LK 6.1: Auszug Leitfaden „Lagerung gefährlicher Stoffe“

lk-6.1.jpg

Weiter sind die entsprechenden Vorschriften der EKAS-Richtlinien (z.B. EKAS RL 1825, Brennbare Flüssigkeiten; EKAS RL 6501 Säuren und Laugen) zu beachten.

 

Endlich gelangt die Chemikalie in die Produktion. Was ist nun im Umgang mit dem Stoff/Gemisch zu beachten? Im Bereich der Verwendung gelten die Regeln des Sicherheitsdatenblattes. So ist dafür zu sorgen, dass die Emissionen keine Gefährdung für die Mitarbeitenden darstellen und die maximalen Arbeitsplatzgrenzwerte (MAK-Werte) eingehalten werden. Hinsichtlich der Verwendung von PSA und betreffend dem Verhalten in einem Notfall sind alle im Umgang mit dem Stoff betroffenen Mitarbeitenden zu instruieren und die notwendigen Arbeits- und Hilfsmittel durch den Arbeitgeber bereitzustellen.

 

Was ist bei der Entsorgung zu beachten? Da es sich einerseits um ein Gefahrgut und andererseits um einen Sonderabfall handelt, müssen bei der Entsorgung sowohl die Bestimmungen des ADR (Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route), sowie die Bestimmungen der VeVA (Verordnung über den Verkehr mit Abfällen) eingehalten werden. GOLDX, welche lediglich Kleinmengen zu entsorgen hat, übergibt die Aufgabe einem spezialisierten Unternehmen, welches die notwendigen Formalitäten erfüllt.


Dieser Artikel ist in der Ausgabe Juni 2015, Heft 2 von Safety Plus erschienen.

*Neue Artikel- oder Anhangsnummer in der ChemV nach der Totalrevision