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Resilienz: Schutz vor gesundheitsschädigendem Stress

Resilienz ist in gewissen Kreisen zu einem Modebegriff geworden. Er steht für einen Schutzeffekt gegen Stress, Depression und Burn-out. Resilient sind Leute, die auch in schlimmen, sehr belastenden Situationen genügend Kraft haben, um daran nicht zu zerbrechen, sondern die dank ihren eigenen psychischen Ressourcen und ihrem Selbstvertrauen sich aufrappeln und zuversichtlich die Zukunft anpacken. Dabei kommt natürlich die Frage auf, ob sich eine solche Eigenschaft antrainieren lässt.

Die Beantwortung muss differenziert erfolgen, weil die Resilienz von verschiedenen Komponenten abhängt, die mehr oder weniger beeinflussbar sind.

Im Rahmen unserer externen Vertrauensstelle für Mitarbeitende, die bei der Arbeit mit psychisch belastenden Problemen konfrontiert sind (z.B. Konflikt, Mobbing, drohendes Burn-out), spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle. Einerseits geht es zwar darum, möglichen Ursachen am Arbeitsplatz nachzugehen und auch zu prüfen, inwieweit die betroffene Person bereits Unterstützung von Fachpersonen in Anspruch genommen hat. Andererseits sind aber auch Faktoren wichtig, die für die persönliche Stressabwehr von Bedeutung sind.

Eine wichtige Rolle spielen die Persönlichkeitsmerkmale, die jeder Person eigen und nur in beschränkten Ausmass beeinflussbar sind. Dabei wird unterschieden zwischen dem unterkontrollierten, dem überkontrollierten und dem resilienten Typ. Zum unterkontrollierten Typ gehören Menschen, die nach aussen orientiert (extrovertiert) sind, auf andere lebhaft, impulsiv und zuweilen aggressiv wirken. Der überkontrollierte Typ ist dagegen eher ängstlich, nach innen orientiert (introvertiert), vorsichtig und defensiv, wohingegen die Menschen vom resilienten Typ eher extrovertiert, gewissenhaft, verträglich, und tendenziell offen für Neues sind. Ebenfalls ist bekannt, dass die Resilienz durch das zunehmende Alter positiv beeinflusst wird. Man lernt sich immer besser kennen und weiss über eigene Schwächen und Stärken Bescheid, so dass man schwierige Situationen besser meistern kann. Die Karriere ist irgendwann abgeschlossen, andere Werte treten in den Vordergrund. Man möchte nachholen, was bisher zu kurz gekommen ist, will mehr Zeit für sich haben und Dinge tun, für die ein echtes Bedürfnis besteht. Man wird weniger fremd gesteuert, ist weniger abhängig von Lob und Kritik der Mitmenschen, wodurch die Anfälligkeit für psychische Krisen sinkt. Dabei ist festzuhalten, dass das Alter allein noch keine Garantie für ein stressfreies Leben darstellt.

Genau genommen ist die Resilienz ein Spiegel dafür, wie gut sich jemand im Leben‚ zurecht 'findet'. Hier kommt ein weiterer, sehr wichtiger Begriff ins Spiel, nämlich derjenige des Kohärenzgefühls. Dieses ist ein Massstab dafür, wie gut wir verstehen, was mit uns passiert, wieviel Sinn wir in unserem Leben sehen und wie souverän wir unseren Alltag meistern können. Die für die erwähnte Anlaufstelle zuständigen Arbeitsärzte sind sich der grossen Bedeutung des Kohärenzgefühls bewusst, zumal es immer schwieriger wird, sich ein gutes Kohärenzgefühl zuzulegen. Dabei spielt bei vielen der krampfhafte Versuch, den Hochleistungsnormen unserer Gesellschaft gerecht zu werden, eine wichtige Rolle. Es ist heutzutage fast unmöglich, mit sich selbst zufrieden zu sein, weil es immer solche gibt, die erfolgreicher und daher nach dem gängigen Wertesystem die ‚Besseren’ sind.

Diese Tendenz wird verstärkt durch die digitalen sozialen Medien, welche das ständige Sich-miteinander-Vergleichen stark forcieren. So zeigt sich, dass viele das gegenwärtige Erlebnis gar nicht mehr geniessen können, sondern sich gedanklich schon im sozialen Netzwerk befinden und überlegen, wie sie das Erlebte dort präsentieren.

In solchen Fällen besteht ein wichtiger Aspekt darin, sich wieder vermehrt auf sich selbst zu besinnen und sich der eigenen hohen Wertigkeit wieder bewusst zu werden. Entsprechend geht das Bestreben unserer Arbeitsärzte dahin herauszufinden, wo es Ansätze gibt, um das Kohärenzgefühl zu stärken, um diese dann zu fördern. So wird zum Beispiel versucht festzustellen, wo die zu beratende Person in der Frage der Spiritualität steht, weil bekannt ist, dass diese für viele eine wesentliche Stütze im Leben darstellt. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass Menschen in einer belastenden Lebenslage damit eher zu Recht kommen, wenn sie an etwas ‚Höheres’ glauben. Es ist bekannt, dass Religion für viele eine ‚Schutzfunktion’ ausübt gegen die eigene ‚Verlorenheit‘. Wenn diese Schutzfunktion eingebüsst wird kann es sein, dass das Kohärenzgefühl stark einbricht, weil aus existenzpsychologischer Sicht das ‚Sinnsystem’ wegfällt. Daher ist es von Vorteil, wenn sich auch Leute, die nichts mit Religion am Hut haben, zu einer ‚Sinnhaftigkeit‘ finden, der die vertiefte Reflexion über das eigene Dasein zugrunde liegt.

Grundsätzlich darf also festgestellt werden, dass es durchaus wirkungsvolle Ansätze gibt, um die Resilienz zu stärken. Im individuellen Gespräch muss jeweils ausgelotet werden, auf welche Weise die ratsuchende Person in entsprechenden Bestrebungen unterstützt werden kann, auch wenn die Unterstützung bei der Suche nach Lösungen in Bezug auf eine krankmachende Arbeitsplatzsituation natürlich im Vordergrund steht.

 

Literatur:
Berndt Christina: Resilienz. Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft. 
Deutscher Taschenbuchverlag München 2013 
Strenger Carlo: Abenteuer Freiheit. Ein Wegweiser für unsichere Zeiten. 
Edition Suhrkamp, Berlin 2017